Analyse der Stadtratswahl 2020 in Würzburg

Wo Würzburg schwarz ist und wo grün, wo Rechtsextremisten stark sind, die Linkspartei wächst und wo die SPD eine Kleinstpartei ist

Ich habe das Wahlergebnis analyisiert anhand städtischer Daten aus dem Jahr 2018 über die Struktur der Bewohner:innen und anderer statistischer Größen in den 13 Stadtbezirken.

Herausgekommen ist eine Übersicht in 34 Grafiken, die unter anderem eine politische Lagerbildung zeigt zwischen urbanen, jungen und internationalen Stimmbezirken und ländlichen und kinderreichen.

Dazu kommt die Entwicklung von CSU, SPD und Grünen in den Stadtratswahlen seit 1946/1984 in Würzburg auf.

Außerdem zeige ich, wo die AfD besonders stark ist und wie die Verhältnisse dort sind.


Das Ergebnis der Stadtratswahl vom 15. März 2020

Abbildung 1. (Grafik: Stadt Würzburg)

Gewinne und Verluste im Vergleich zur Stadtratswahl 2014

Abbildung 2. (Daten: Stadt Würzburg. Tabelle: Wolfgang Jung)

Würzburg war schwarz. Das ist es nicht mehr.

Abbildung 3. (Daten: Stadt Würzburg. Grafik: Wolfgang Jung)

Die Vorgeschichte

Die Entwicklung der Stadtratswahl-Ergebnisse von CSU und SPD seit 1946 verlaufen einigermaßen parallel; in der Tendenz steigen und fallen sie gemeinsam.

1978 erreichte die CSU ihr stärkstes Ergebnis. Die 50 Prozent brachten eine absolute Mehrheit von 26 Sitzen im Stadtrat.

Kurios und bezeichnend für die Geschichte der Würzburger OB-Wahlen nach dem Krieg: von 1968 bis 1990 stellte die SPD mit Klaus Zeitler den Oberbürgermeister. 1990 trat er nicht mehr zur Wahl an. 1992 wechselt Zeitler zur rechtsextremistischen Partei “ Die Republikaner“ (Rep).

Das Trauma der CSU von 1990

In der Wahl von 1990 stürzte die CSU steil ab, von 46,7 Prozent auf 33 Prozent. Auslöser war ihre Entscheidung, Barbara Stamm als OB-Kandidatin zu nominieren. Jürgen Weber, ehemals CSU-Fraktionsvorsitzender und 2. Bürgermeister, fühlte sich düpiert, gründete eine eigene, die „Würzburger Liste“ (WL) und gewann die OB-Wahl. Die CSU holte nur noch 18 Sitze (fünf weniger als 1984), die WL gewann auf Anhieb acht.

Obwohl die WL bis 2020 auf ein Viertel ihrer anfänglichen Größe schrumpfte, kehrte die CSU nicht in alte Höhen zurück.

Der Absturz der SPD

1984 holte die SPD mit 37,5 Prozent ihr zweitbestes Ergebnis bei Stadtratswahlen in Würzburg. Der dramatische Abstieg begann mit der Wahl von 1990: 27,4 Prozent. 1996 stürzte sie weiter ab, auf 19,6 Prozent.

Die Serie der Wahldebakel ist vielschichtiger begründet als das der CSU von 1990. Eine Befragung der Würzburger SPD-Mitglieder brachte 1996 zu Tage, dass knapp 33 Prozent überzeugt waren, die SPD wirke hochmütig und überheblich.

Gut ein Drittel sagte, die SPD kümmere sich zu wenig um die „kleinen Leute“.

Kritik an der Kandidatenliste zur Wahl äußerten 40 Prozent.

Über 40 Prozent meinten, die kleinen Parteien und Wählergruppen „mit ihrer gewachsenen Bedeutung“ seien ausschlaggebend für das schlechte Abschneiden der SPD.

„Nicht wenige Mitglieder“, so stand in der Untersuchung zu lesen, hielten das Personalangebot von WL und CSU „für bekannter und glaubwürdiger“.

Wie die CSU hat auch die SPD sich nicht mehr erholt.



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Über Willi Dürrnagels Buch „Würzburger Straßen“

Wie ein einflussreiches Mitglied des Stadtrats versucht, mit anderer Leute Arbeit Renommee für sich zu schöpfen

Ich halte Willi Dürrnagels Buch „Würzburger Straßen“, erschienen im Spurbuchverlag, zu erwerben für 9,80 Euro, für ein ausgemachtes Ärgernis.

Dürrnagel stellt in Text und Bild die Eichhorn-, Herzogen-, Wilhelm-, Martin- und Spiegelstraße vor. Dabei missachtet er die Urheberrechte von Autor:innen und Fotograf:innen in einem Ausmaß, wie ich es aus der Literatur über Würzburg nicht einmal annähernd kenne.

92 Seiten schmal ist Buch. Seite 91 hat Dürrnagel überschrieben mit „Quellen- und Literaturverzeichnis“. Darunter verweist er auf sein Archiv und auf sonst nichts.

Ein Buch voller Plagiate

Ein erster Abgleich mit Thomas Memmingers Standardwerk „Würzburgs Straßen und Bauten“, 2. Auflage, von 1925, brachte rund 50 Plagiate zu Tage. Dürrnagel übernimmt Sätze und Absätze, ohne sie als Zitat zu kennzeichnen. Manche verändert er leicht, wie auf Seite 38 unter „Eichhornstraße 7“: „Hier stand der ‚Hof zum Hufhalter‘, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts im Besitz des bedeutenden Adrianus Romanus, Kanonikus am Stift Neumünster, war.“

Der Satz stammt von Memminger (Seite 139), nur dass der den Kanoniker „berühmt“ nannte.

Die Seite 53 überschreibt Dürrnagels mit „Memminger Straßen und Bauten“, ohne weiter darauf einzugehen. Wer das Werk nicht kennt, mag rätseln, was die Spiegelstraße mit Memmingen zu tun hat. Wer es kennt, wird die Überschrift auch nicht entschlüsseln.

Und so sieht des Rätsels Lösung aus:

Die Seiten 53 und 54 in „Würzburger Straßen“. Gelb markiert sind die Stellen, die Dürrnagel aus Thomas Memmingers „Würzburgs Straßen und Bauten“ plagiiert hat. (Markierungen: Wolfgang Jung)

Die gelb markierten Stellen hat Dürrnagel wortwörtlich von Thomas Memminger abgeschrieben. Die nicht markierten Stellen sind angesichts des Sprachstils sicher auch plagiiert. Ich weiß nur noch nicht, woher.

Das Buch ist voller Plagiate. Auf Seite 63 unter „Eichhornstraße 18“ ist die Geschichte des jüdischen Holz- und Kohlehändlers Ferdinand Dessauer zu lesen. Erforscht und aufgeschrieben hat diese Geschichte die Würzburger Historikerin Dorothee Klinksiek für die Webseite stolpersteine-wuerzburg.de. Dürrnagel hat sie kopiert und wortwörtlich in sein Buch eingefügt, ohne sie als Zitat zu kennzeichnen und ohne Hinweis auf Urheberin und Quelle.

Auch Meinungen stammen von anderen

Nicht einmal da, wo im Buch ein persönliches Urteil oder eine Wertung über einen Bau oder einen Straßenzug zu lesen ist, kann man darauf vertrauen, dass Dürrnagel sich das selbst ausgedacht hat. Ein prägnantes Beispiel steht auf den Seiten 28/29, wo es um die einstige Gewerbehalle in der Eichhornstraße geht, und um ein Aquarell von Peter Geist, das die Halle zeigt. Über zwei Seiten geht der Text. Er stammt original aus dem dritten Band der „Ansichten aus dem alten Würzburg“, erschienen im Jahr 2000 als Katalog zur Graphischen Sammlung des Mainfränkischen Museums. Wie überall kennzeichnet Dürrnagel den Text nicht als Zitat und benennt nicht die Urheberin und die Quelle.

Die Seiten 28 und 29 aus dem Katalog „Ansichten aus dem alten Würzburg, Teil III“. Gelb markiert sind die Stellen, die Dürrnagel plagiiert hat. (Markierungen: Wolfgang Jung)

Vier Sätze auf den zwei Seiten entstammen nicht dem Katalog, sind zweifelsohne aber auch plagiiert. Ich habe die Originalstelle nur noch nicht entdeckt.

Die Main-Post, auf die Plagiate aufmerksam gemacht, befragte Dürrnagel. Sie berichtet seine Aussage, nach der er „außer dem Standardwerk ‚Würzburgs Straßen und Bauten‘ von Thomas Memminger (…) bewusst keine anderen Bücher herangezogen“ habe.

Kenner:innen der Würzburg-Literatur könnten sich einen Sport aus der Suche nach den Originalstellen machen. Ständige Wechsel in Sprachstil und -duktus zeigen an, ab wann Dürrnagel sich einer anderen Arbeit bemächtigt hat. Eine interessante Aufgabe wäre herauszubekommen, auf wie vielen der 92 Seiten er nicht plagiiert hat.

Wie bei den Texten, so agiert Dürrnagel auch bei den zahlreichen Bildern, die er hier veröffentlicht. Er verschweigt Urheber und Quellen.

Was Dürrnagel übersehen hat

Dürrnagels Diebstahl geistigen Eigentums ist so gravierend, dass eine kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten kaum ins Gewicht fällt.

Er übersieht, dass die Würzburger:innen manches veränderten, seit die klugen Köpfe, von denen er abschreibt, sich damit beschäftigt haben.

Das Haus zum schönen Eck, den Hof Rettersheim und den Hof Emmeringen etwa schreibt er der Martinstraße zu. Das ist falsch. Seit 2012 heißt diese Ecke Würzburgs Otto-Wels-Straße.

Ein exemplarisches Ereignis ist nicht der Rede wert

Auf einem Foto vom Anwesen Eichhornstraße 5/7, das er auf das Jahr 1934 datiert, ist das Geschäft „Wohlwert“ zu sehen, betrieben von der jüdischen Kaufmannsfamilie Ruschkewitz, mit einem großen Menschenauflauf davor.

Der Historiker und frühere Main-Post-Redakteur Roland Flade weiß es besser. Das Foto stammt aus dem Jahr 1933. In seinem Standardwerk „Die Würzburger Juden“ von 1996 zeigt Flade diese Aufnahme (Quelle: Staatsarchiv Würzburg) mit der Bildunterzeile: „Drei Wochen vor der ersten reichsweiten Boykottaktion gegen Juden erzwingt eine von NSDAP-Gauleiter Otto Hellmuth angeführte Menschenmenge am 11. März 1933 die Schließung jüdischer Geschäfte. Besonders viele aufgehetzte Bürger versammeln sich vor dem Einheitspreisgeschäft Wohlwert an der Ecke Eichhorn-/Wilhelmstraße.“

Unter der „Wohlwert“-Adresse Eichhornstraße 5/7 firmiert im Dürrnagel-Buch auf einem Foto von 1949 die Firma Neckermann. Die Geschichte zwischen 1933 und 1949 fehlt. Die Nationalsozialisten hatten die Ruschkewitz‘ dermaßen traktiert, dass die Familie 1935 den „Wohlwert“ dem „arischen“ Würzburger Unternehmer Josef Neckermann abtrat, für einen Bruchteil des Wertes. Der erzwungene Verkauf, beispielhaft für viele ähnliche, war Dürrnagel der Rede nicht wert.

Ebenso wie fürs Entdecken Dutzender Plagiate genügte auch für das Entdecken sachlicher Fehler und fragwürdiger Auslassungen eine oberflächliche Betrachtung.

Gesellschaftliches und politisches Renommee durch Plagiate

Mit diesem Buch betrügt Dürrnagel seine Leser:innen, indem er ihnen vorgaukelt, das, was sie lesen, stamme von ihm.

Er betrügt Forscher:innen, Autor:innen, Fotograf:innen und Verlage, indem er ihre Arbeit als die seine ausgibt, und schöpft daraus gesellschaftliches und politisches Renommee.

Er könnte sich ehrlich machen, indem er dieses Machwerk zurückzieht und die Käufer:innen und jene, bei denen er abgekupfert hat, um Entschuldigung bittet.


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