Würzburg gegen Wolfgang Koeppen

Warum dem Dramaturgen in Grombühl die Lüsternheit verging und selbst eine dralle Wirtin nicht half

Wolfgang Koeppen, Tauben im Gras
Wolfgang Koeppen auf dem Cover seines berühmtesten Romans. (Foto: Suhrkamp Verlag)

1926 heuerte der 20 Jahre alte Wolfgang Koeppen als Dramaturg am Würzburger Stadttheater an. Der Mann, der zu einem der wichtigen deutschen Nachkriegsautoren werden sollte, hatte Nöte mit der Stadt und ihrem Geist.

„Ich war erwartungsvoll, ich war bereit, war neugierig und lüstern“, schreibt er. Aber er war kaum aus dem Zug ausgestiegen, als er schon Berlin vermisste. „Wie würden sie mir fehlen, die Theaterkämpfe, die Zeitungen“ und die Kritiker und die Uraufführungen und „die Erregung, dass die Welt unterging oder ein Paradies würde für jedermann“.

Hausen unter Verzweifelten

Er stand auf dem Bahnsteig und fühlte sich „von Bergen umstellt. Der Main, den die Dichter gepriesen, war fern; es war kein liebliches Tal, es war eine Grube, die ich mir gegraben hatte, in die ich gefallen war.“

Er kam in einem möblierten Zimmer in Grombühl unter, von der Altstadt durch die Eisenbahn getrennt und „durch eine Industriebrücke verbunden, die Leute anzog, die sich hinabstürzen wollten. Es gab Verzweifelte, wie immer und überall. Ich hauste unter ihnen. Ich war enttäuscht und ausgestoßen.“

Eine Spielzeit lang blieb er in Würzburg.

Keine Chance als Dramaturg am Stadttheater

„Ich gab jungen Poeten Hoffnungen, die ich nicht erfüllen konnte. Ich schrieb im Programmheft einen Nachruf auf Siegfried Jacobsohn, den ersten Herausgeber der ,Weltbühne‘ und einen Artikel gegen das ,Schund- und Schmutzgesetz‘, einen Versuch von Zensur, und beides wurde auf Betreiben des Stadtrats aus dem Verkehr gezogen und eingestampft.“ Koeppen erinnerte sich später gallig: „Es war eine schöne Zeit.“

Ein Lichtblick war die dralle Witwe eines verunglückten Eisenbahners, bei der er untergebracht war. Sie lachte gern. Aber auf Koeppens Schreibtisch stand ein Foto des Verblichenen: Der Mann sah „abgezehrt, arbeitsmüde aus, und sein Gesicht unter der Dienstmütze schien sich vorwurfsvoll gegen das Auge der Kamera gewandt zu haben.“

Koeppen verließ Würzburg 1927 Richtung Berlin, wo er sich dem „Dramaturgischen Kollektiv“ Erwin Piscators anschloss.

Literaturtipp

Koeppen, Wolfgang: Ich ging Eulenspiegels Wege. Ein Lesebuch. Herausgegeben von Dagmar von Briel. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1996


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