Klara Oppenheimer, Feministin

Wie eine Würzburger Ärztin für die Frauenrechte kämpfte, etwas gewann und ihr Leben verlor

Klara Oppenheimer
Dieses Foto von Klara Oppenheimer ist wahrscheinlich das einzige erhaltene Bild von ihr.

Lida Gustava Heymann (1868 bis 1943) und Anita Augspurg (1857 bis 1943) pfeifen auf Kinder, Küche, Kirche. Sie verdienen selbst ihr Geld, sind ein Liebespaar, radikale Frauenrechtlerinnen und Pazifistinnen und verfemt als Vaterlandsverräterinnen. Sie riskieren Haftstrafen mit ihren Attacken wider die männlich-militante Leitkultur.

Am 26. Oktober 1912 kommt Augspurg nach Würzburg, ins Café-Restaurant Alhambra am Franziskanerplatz. Der hiesige Bayerische Verein für Frauenstimmrecht hat sie eingeladen, zum Thema „Sufragettes“, also zum Thema Frauenwahlrecht. Der Eintritt ist frei, das Publikum strömt, die Polizei schließt die Türen wegen Überfüllung, viele müssen draußen bleiben.

Augspurg eröffnet, dann spricht die Londoner Frauenrechtlerin Eleonora Tyson über den radikalen Kampf ums Wahlrecht in England. Der Beifall rauscht, die Veranstaltung nimmt einen „sehr stürmischen, aber guten Verlauf“, berichtet die Zeitschrift „Frauenstimmrecht“. Anschließend tragen 40 Frauen sich als Neu-Mitglieder im Frauenstimmrechtsverein ein.

Unter den stolzen Veranstalterinnen ist die Würzburger Kinderärztin Klara Oppenheimer. Zwei Lehrer, Franz Ziegler und Gereon Rempe, haben jetzt ihre Geschichte aufgeschrieben. Das Buch gehört zum Besten, das es im Meer der Würzburg-Literatur zu lesen gibt.

Das Liebesverbot für Lehrerinnen ist Gesetz

Ziegler/Rempe betten die Geschichte einer leidenschaftlichen Würzburger Feministin ein in die große Geschichte der Frauenbewegung. Sie zeigen die ins Recht gegossene Behinderung von Frauen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein.  Frauen dufte nicht wählen und sich nicht wählen lassen (bis 1918), sie hatten kein Recht auf Abitur und Studium und kein Recht auf freie Berufswahl. Selbst in der Liebe waren sie nicht frei. Lehrerinnen zum Beispiel mussten im Zölibat leben.

Oppenheimer tritt schon als junge Frau für die Frauen-Emanzipation in Gesellschaft und Politik ein. Ihre Ausgangslage, schreiben die Autoren, „kann dabei kaum schlechter sein. Die Worte eines Martin Luther hallen noch nach, der davon überzeugt war, dass Frauen über weniger geistige Kräfte verfügten als Männer und sich deshalb Männern unterzuordnen hätten“.

Vom Gefährden der männlichen Schamhaftigkeit

Im zähen Kampf dringt Oppenheimer in die Männerdomänen ein. Sie verschafft sich die Grundlage aller Emanzipation und Teilhabe: Bildung. Sie wird Lehrerin, übt den Beruf nicht aus, engagiert für gute Bildung für Mädchen, erkämpft sich als vierte Frau in Bayern das Studium der Medizin. Ziegler/Rempe berichten, die ausschließlich von Männern geführten und besuchten Universitäten hätten sich gegen studierende Frauen gewehrt, indem sie „die Gefährdung der Sittlichkeit und Schamhaftigkeit und den Niedergang des wissenschaftlichen Niveaus“ beschworen.

Als 50-Jährige eröffnet Oppenheimer im Juni 1918 am Kürschnerhof ihre „Spezialpraxis für Säuglings- und Kinderkrankheiten“. Ein Jahr später verlegt sie die Praxis in ihr Wohnhaus in der Friedenstraße 26. Im März 1933 gibt sie sie auf; laut Ziegler/Rempe ist unklar, warum. Sie halten für möglich, dass sie es unfreiwillig tat, „unter dem Druck des zunehmenden Antisemitismus in Würzburg“. Ob Oppenheimer Jüdin  war im Sinne religiöser Praxis oder nur im Sinne der nationalsozialistischen Rasse-Ideologie, bleibt im Buch offen.

Nazi-Recht im Nachkriegsdeutschland

Die Autoren beschreiben den rassistisch begründeten Antisemitismus, den die Nationalsozialisten als Ideologie des 19. Jahrhunderts übernahmen. Wieder binden sie Oppenheimers Geschichte in Stadt- und Weltgeschichte ein. Sie beschreiben ihre Demütigung, Entrechtung, Verfolgung, Ausplünderung, Verschleppung und Ermordung detailreich und als beispielhaft für die Verbrechen gegen Millionen von Juden.

Klara Oppenheimer ist 74 Jahre alt, als die Nationalsozialisten sie ins Vernichtungslager Theresienstadt verschleppen. Dort stirbt sie am 17. Mai 1943.

Nach der Befreiung verwehrt die Bundesrepublik den Erben Oppenheimers Nachlass. Ein Gericht entscheidet, das Deutsche Reich habe ihr Vermögen aufgrund rechtmäßig an sich gebracht, weil die beiden Schwestern nach Theresienstadt „ausgewandert“ seien.

Ziegler/Rempe erzählen faktensatt in einem leichten Ton, anschaulich und verständlich auch für jene, die ohne Ahnung vom Stoff sind. Sie ordnen die Ereignisse stellen Fragen, die des Nachdenkens wert sind und haben geschafft, was wenigen Autoren gelingt: Pflichtlektüre.

Literaturtipp

Frank Ziegler/Gereon Rempe: Klara Oppenheimer. Würzburger Kinderärztin. Kämpferin für das Frauenwahlrecht. Opfer des Holocaust. Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg, 2017


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